Gehirnstrommessung

Studie:

Warum fühlen wir uns nicht gesund?

Trotz besserer medizinischer Versorgung, steigender Investitionen in das Gesundheitswesen und mehr Pharmazie sinkt das subjektive Empfinden, gesund zu sein. „Der Zugang zu Medikamenten und medizinischer Versorgung verbessert unser subjektives Gesundheitsempfinden nicht.“ sagt Prof. Hui Zheng. Er verglich mehrere große, multinationale Daten, aus denen er ablesen konnte, wie gesund und zufrieden sich Menschen im Vergleich der letzten drei Dekaden in den USA fühlten. Er untersuchte das Vertrauen der Patienten in die Institution Medizin.

Zheng führte drei Mechanismen an, die zu dieser subjektiven Einschätzung der Patienten führen.

  1. Es werden durch einen Prozess der „Medikalisierung“ mehr Erkrankungen entdeckt und sogar „geschaffen“. Dies meint, dass ein erhöhtes individuelles Risiko bestehe, mit einer „neuen Erkrankung“ diagnostiziert zu werden, z.B. ADS/ADHS.
  2. Dieser Prozess umfasst auch das stetig intensiver betriebene Vorsorgescreening und zieht damit ein erhöhtes Risiko der – mitunter schadenden – Überdiagnose nach sich. Zheng spricht von einem „aggressive screening“, das auch das Risiko eines Erkrankungsbewusstseins bzw. Krankheitserwartung berge. Menschen unterschätzen in der Regel dann ihre Gesundheit, wenn sie mit der Diagnose eines Erkrankungsrisikos konfrontiert würden. So lassen sich Krankheiten durch molekularbiologische oder technische Methoden als eine potentielle Gefährdung diagnostizieren, bevor sie ausbrechen. So z.B. das Risiko, an Brust- oder Darmkrebs zu erkranken.
  3. Die Expansion des Gesundheitswesens kann zu einer steigenden Erwartung des Patienten, krank zu sein (‘sick role expectations’’) führen. Denn warum sonst, würde so viel investiert werden? Und trotz der Möglichkeit der unzähligen zum Teil auch schonenden und minimalinvasiven Eingriffe, verbessert sich der gefühlte Gesundheitszustand nicht. Erwarten die Menschen zu viel vom Gesundheitssystem, vom Arzt oder Therapeuten? Erwarten sie einen unrealistisch perfekten Gesundheitszustand von der Pharmazie und den molekularbiologischen sowie technischen Fortschritt der Medizin?

In seiner Analyse berücksichtigte Zheng auch Faktoren, die nicht unmittelbar mit dem Gesundheitssystem zusammenhängen, es aber beeinflussen wie z.B. die ökonomische Entwicklung eines Landes, die Lebenserwartung bei der Geburt, Ausbildungs- und Familienstand und Einkommen. Trotzdem verbesserte sich das Ergebnis seiner Analyse nicht.

Schließlich hat die Ökonomisierung des Gesundheitssystems wesentlich zu einem Vertrauensverlust beigetragen, so Zheng. Die Patienten verlieren das Vertrauen sobald sie das Gefühl haben, sie würden nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten behandelt.

Schließlich wirft Zheng die Frage auf, wie das verlorene Vertrauen wieder hergestellt werden könne. Er fand heraus, dass die Patienten dennoch fest an die Medizin als wissenschaftliche Lösung ihrer Gesundheitsprobleme glauben.

Schließlich zitiert er aber auch Wissenschaftler, die meinen: Medizinische Institutionen müssen sich so lange nicht um die „hearts and minds“ der Menschen kümmern, so lange sie den Markt durch die Kontrolle über alternativen Therapien beherrschen. Liegt hier eine wesentliche Ursache dieses Desasters?

Quelle: Hui Zheng, Columbus, OHIO. Social Science Research. Why has medicine expanded. The role of consumers. Hui Zheng, Juli 2015, Volume 52, July 2015, S. 701–715.

Ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind durch die Einbeziehung der Komplementärmedizin und alternativer Methoden, den Patienten nicht nur zur Gesundung sondern auch zu Wohlbefinden zu verhelfen. Die Akzeptanz der teils jahrtausendealter Erfahrungsmedizin nimmt einen steigenden Stellenwert ein. Sie stärkt das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte jedes einzelnen. Sie begegnet dem Patienten als komplexes Individuum und behandelt ganzheitlich, sie berücksichtigt „heart and mind„. Hier beginnt das Gesundheitssystem auf die Bedürfnisse ihrer Patienten zu reagieren. Dies ist der richtige Weg, denn Maßstab ist hier einzig und allein die Gesundung und das Befinden des Patienten.